Es könnte so schön sein für die Weinerzeuger am Bodensee, wenn da nicht die überbordende Bürokratie, immer neue Vorschriften und zuweilen auch Nachbarn und zuständige Behörden wären, die den Traditionsbetrieben das Leben schwer machen. Nach dem Besuch der Weingüter Thomas Geiger und Peter Krause in Meersburg setzte unsere LIM-Generalsekretärin ihre Sommertour beim zweitältesten Winzerverein Badens (gegründet 1884) fort: dem Winzerverein Meersburg e.G.
Auch hier konnte Sarah Zickler aus erster Hand erfahren, was die Familienbetriebe belastet, die sich in der Genossenschaft zusammengeschlossen haben. Als Gesprächspartner standen zur Verfügung: der Vorstandsvorsitzende Georg Dreher, Andreas Volz (Mitglied des Vorstandes) und Martin Frank (Geschäftsführendes Vorstandsmitglied).“Wir sprachen über Fachkräftemangel und realitätsfremde Verwaltungsvorgaben, die den Alltag im Weinberg und der Kelter einfach nur blockieren“, berichtet die LIM-Generalsekretärin.
Meersburg braucht dringend neue Kelter
Beim Winzerverein Meersburg komme allerdings noch ein großes Dauerärgernis dazu. Seit sechs Jahren ist der geplante und genehmigte Bau einer neuer Kelter im Ort ein Fall für die Gerichte. Was ist geschehen? Die Winzer benötigen dringend eine moderne Kelteranlage, um auch in Zukunft die Weine in der Bodenseeregion weiterverarbeiten zu können. Deshalb soll der bisherige Standort in der engen Unterstadt aufgegeben werden und ein Neubau an der Mesmerstraße (Oberstadt) entstehen.
Die Stadt und der Gemeinderat stehen hinter dem Projekt, und auch ein Grundstück wurde bereits erworben. Anlieger befürchten jedoch eine Geruchs-, Lärm- und Verkehrsbelastung und zögern das Bauvorhaben hinaus.
„Unverständlich für mich, denn hier entsteht ja kein Logistikcenter eines großen Discounters mit Tag- und Nachtbetrieb und vielen Lkw-Fahrten“, sagt Sarah Zickler. Sie hoffe für den Winzerverein, die Stadt und Weinregion rund um Meersburg dass das Projekt realisiert werden kann. „Es geht auch um den Fortbestand von inhabergeführten Betrieben mit langer Familientradition und der Weinbaukultur.“
Verwaltung ignoriert gute Idee des Winzervereins
Doch damit nicht genug. Die Gesprächspartner hatten ein weiteres Thema, das die LIM-Vertreterin sprachlos machte: So soll nach einer Verwaltungsvorgabe die gute Humuserde, welche beim Aushub anfällt, nicht für die Erschaffung eines neu angelegten Weinberges verwendet werden. Sie soll stattdessen in eine ca. 30 Kilometer entfernte Kiesgrube gefahren und dort entsorgt werden. Trotz Bodengutachten und Bescheinung, dass es sich bei dieser Erde um qualitativ hochwertigen Humus handelt, besteht die verantwortliche Behörde auf Entsorgung.
Sarah Zickler kommentiert: „Warum gibt es keine Ausnahmegenehmigung? Die Verwaltung beharrt auf Paragraphen, während die Meersburger Winzer eine nachhaltige und pragmatische Lösung umsetzen würden.“
Ein weiteres Ärgernis für die Weinbaubetriebe ist die Arbeitszeitenregelung. Schon seit Jahren beantragt der Badische Weinbauverband für seine Mitglieder eine Ausnahmeregelung, so dass während der Ernte länger und auch am Wochenende gearbeitet werden kann. Die Weintrauben gelten als verderbliche Ware und müssen rasch verarbeitet werden.
Sowohl die ausländischen Erntehelfer wie Mitarbeiter vor Ort wissen um diese Situation und erklären sich im Arbeitsvertrag freiwillig bereit für eine Mehrarbeit. Was bisher vom zuständigen Landratsamt zu Kenntnis genommen wurde, wird nun auf einmal hinterfragt – mit Nachweispflichten der Manteltarifverträge zur Gewährleistung des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer inkl. Gefährdungsanalysen und Zustimmung der Mitarbeiter zu Mehrarbeit.
Gesunder Menschenverstand würde helfen
Der Geschäftsführer des Winzervereins, Martin Frank, sagt: „Ja, diese Gesetze sind gemacht worden, weil sicherlich schlimme Finger am Werk waren. Aber es obliegt auch jedem Sachbearbeiter, einen gesunden Menschenverstand an den Tag zu legen, um hier eine Notwendigkeit zu sehen. Warum müssen von 100 Betrieben 98 gegängelt werden, weil sich vielleicht zwei daneben benommen haben?“
Sarah Zickler: „Ich hoffe, die diesjährige Lese kann wie gewohnt und erfolgreich stattfinden.“
Unsere LIM-Generalsekretärin nimmt mit: Die Winzer leisten ehrliche Arbeit und haben mehr Wertschätzung verdient. Behörden und Kommunen sollten die Familienbetriebe aktiv unterstützen. „Wir als Verbraucher können auch helfen, indem wir die lokalen Weine, Sekte und Brände vom Bodensee kaufen, genießen oder verschenken.“
Tipp: Am Dienstag, 16. August 2022, setzt Sarah Zickler ihre Tour fort. Um 14 Uhr ist sie im Weingut Kress (Überlingen), gegen 16 Uhr bei Obstbau & Brennerei Joachim Knoll (Überlingen-Lippertsreute).